Mag. Dr. Hans-Jörg Hofer zum Thema

Soziale Medien und Selbstfürsorge

Die ständige Erreichbarkeit und der andauernde Umgang mit digitalen sozialen
Medien dürften mithin ein wesentlicher Faktor dafür sein, dass

a) psychosoziale Probleme, Krisen und Erkrankungen im Zunehmen begriffen
sind.

b) sich immer mehr Kinder, Jugendliche und junge Menschen schwer tun, sich in
der realen Welt zurecht zu finden, tragfähige soziale Kontakte aufzubauen und
grundlegende Kompetenzen im Bereich der Kommunikation und der
Interaktion mit anderen Menschen zu erlernen und zu erfahren.

c) viele Menschen in eine sogenannte Parallelwelt, voll mit „alternativen“ Fakten,
Fakenews und kruden Theorien über die Welt und ihren realen Zustand,
abzugleiten drohen.

d) es immer weniger Orte der Ruhe, der reflexiven Distanz und der Erholung zu
geben scheint.

e) die Grenzen zwischen Beruf, Arbeit und Freizeit sowie die zwischen öffentlich
und privat immer mehr verschwimmen und schließlich völlig verschwinden.

„Gesund“ im psychosozialen Sinne ist all das jedenfalls nicht und stellt vor allem
auch für Menschen mit psychosozialen Behinderungen eine extreme
Herausforderung und eine nicht zu unterschätzende Gefährdung dar, die oftmals
sogar reflektierten Betroffenen nicht in dem Ausmaß bewusst zu sein scheint, wie
dies m. E. eigentlich nötig, dem psychischen Wohlbefinden und einem nachhaltigen
Recovery zuträglich und förderlich wäre.
Gerade jetzt zu Beginn eines neuen Jahres wäre es allerdings lohnenswert, über all
diese Dinge vertieft nachzudenken und zu schauen, wo man/frau hier im
persönlichen Umfeld etwas ändern müsste, könnte oder auch möchte, um so
manche Krise zu vermeiden und das eigene Wohlbefinden zu steigern.
Folgende Punkte und Fragen könnten dabei vielleicht hilfreich und selbst denjenigen
nützlich sein, die noch nicht von psychosozialen Belastungen und/oder Krisen
betroffen waren oder es dzt. sind:

1. Muss ich jede E-Mail sofort lesen und beantworten? Muss ich dies selbst
dann, wenn ich eigentlich bereits zu Hause und gar nicht mehr in der Arbeit
bin?

2. Muss ich in der Freizeit oder gar bereits in der Arbeit jedes Video, jeden
banalen Artikel, jede Horrormeldung, die mir YouTube, Facebook, X, TikTok,
Instagram etc. aufs Handy spülen, lesen, mir ansehen, darauf reagieren und
diese womöglich noch weiterleiten?

3. Muss ich überhaupt alles noch so Triviale und Banale wissen und möchte ich
das?

4. Wo gibt es bereits auf meinem Handy diverse Möglichkeiten, den
andauernden Informationstsunamie zumindest zeitweise oder gar ganz
abzustellen?

5. Fehlt mir etwas, wenn ich nicht der/die/das* Erste bin, der über den letzten
Mord in Kiribati oder einen Anschlag auf Tuvalu unterrichtet ist?

6. Wo und wann brauche ich das Handy wirklich und wo und wann wird es mit all
seinen Möglichkeiten zur Belastung?

Ratschläge sind meistens nicht gut und können auch bekanntlich auch als „Schläge“
interpretiert werden, aber vielleicht wäre es lohnenswert,

1. einen völlig handyfreien Tag in der Woche einzuführen.

2. diverse soziale Medien teilweise oder ganz zu meiden.

3. Nachrichten nur dann zu „genießen“, wenn man/frau dazu in der Stimmung ist.
4. sich ganz bewusst zu überlegen, auf welche Nachrichten und Informationen
man/frau verzichten kann und dementsprechend zu handeln.

5. nach 20:00 keine E-Mails oder SMS bzw. WhatsApp zu lesen und zu
beantworten.

6. sich vielleicht öfter mit Freund:innen zu treffen und persönliche Kontakte zu
pflegen.

All das kostet nichts und ist zumindest einen Versuch wert! Man/frau sieht ja denn
recht bald, ob derartige Maßnahmen gut tun, ob sie entlasten und ob sie einem
Recovery förderlich sind. Der Umgang mit Erreichbarkeit, sozialen Medien und dem
eigenen Handy könnten zum Beispiel nicht zuletzt auch lohnenswerte Themen
innerhalb einer laufenden Psychotherapie sein.


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